Vaughan Williams - Tallis-Fantasie | Stanislav Kochanovsky | WDR Sinfonieorchester
Ralph Vaughan Williams’ Fantasie über ein Thema von Thomas Tallis, gespielt vom WDR Sinfonieorchester unter der Leitung von Stanislav Kochanovsky. Live aufgenommen am in der Kölner Philharmonie.
Ralph Vaughan Williams - Fantasie über ein Thema von Thomas Tallis
WDR Sinfonieorchester
Stanislav Kochanovsky, Leitung
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Werkseinführung:
Im Jahr 1910 trat das renommierte Three Choirs Festival an den Komponisten Ralph Vaughan Williams heran – mit dem Auftrag für ein Orchesterwerk, das vor einer Aufführung von Edward Elgars Oratorium »The Dream of Gerontius« erklingen sollte. Vaughan Williams hatte wenige Jahre zuvor eine Sammlung der besten englischsprachigen Hymnen mitherausgegeben. Darin enthalten ist auch eine Komposition von Thomas Tallis (ca. 1505 – 1585) aus dem 1567 veröffentlichten
Psalter von Erzbischof Matthew Parker. Zu Tallis’ Melodie ergänzte John Addison, ein Autor von Hymnen, Jahrzehnte später folgende Zeilen: »When rising from the bed of death, / O’erwhelmed with guilt and fear, / I see my Maker face to face, / O how shall I appear?« (»Beim Aufstehen vom Sterbebett, / überwältigt von Schuld und Angst, / sehe ich meinen Schöpfer von Angesicht zu Angesicht, / Oh, wie soll ich ihm begegnen?«) Mit diesem Text hatte Vaughan Williams die Melodie von Tallis veröffentlicht. Für seinen Kompositionsauftrag erschien sie ihm als geeignete Vorlage, um Elgars Oratorium gerecht zu werden.
Fast legendär ist eine Anekdote über die beiden jungen Komponisten Herbert Howells und Ivor Gurney, als sie zur Uraufführung am 6. September 1910 in der Gloucester Cathedral reisten. Ihr eigentliches Interesse galt dem Werk von Elgar, aber es war dann Vaughan Williams’ Fantasia, die sie so tief beeindruckte, dass sie keinen Schlaf fanden und nächtens durch die Straßen von Gloucester irrlichterten. Tatsächlich verströmt dieses Werk eine magische Strahlkraft. Vaughan Williams stellt das Thema von Tallis mit innigem Ernst vor. Die reine Streicherbesetzung hat er höchst ausdifferenziert gestaltet, indem er zwei Streichorchester miteinander korrespondieren lässt, aus denen sich zwischenzeitlich zudem ein Streichquartett herauslöst. Das vielstimmige Klanggeflecht ist hörbar inspiriert von Tallis’ berühmter Motette »Spem in alium« für 40 unabhängige Vokalstimmen. Der Ende-30-jährige Vaughan Williams hatte seine kompositorische Raffinesse erst kurz zuvor ausgebildet, durch Studien bei Maurice Ravel in Paris, der ihm auch in der Kunst der Instrumentation entscheidende Impulse vermittelte.
Text: Otto Hagedorn
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