Joseph Roth im Porträt: Das bin ich wirklich; böse, besoffen aber gescheit. Doku v Karl Pridun 2009

“Joseph Roth, einer der prägenden Journalisten und Schriftsteller der Weimarer Republik, warnte schon früh, mit seinem ersten Roman, “Das Spinnennetz“, vor der Gefahr eines aufziehenden Faschismus. Gerade mal zwei Tage sollten vergehen vom Erscheinen der letzten Folge in der Arbeiterzeitung bis zum Münchner Putschversuch von Hitler und Ludendorff 1923: Mit Entsetzen sah Roth die gleichmütige Reaktion in der Öffentlichkeit, zumal in der Presse. Die Dokumentation “Das bin ich wirklich; böse, besoffen, aber gescheit“ von Karl Pridun, die 3sat als Eröffnung seiner Reihe zum siebzigsten Todestag Joseph Roths sendet, verfolgt ein gerade mal knapp 45 Jahre währendes Leben in einem steten, nur zum Teil durch das Exil erzwungenen Nomadentum. Geboren am 2. September 1894 in der jüdisch geprägten galizischen Handelsstadt Brody machte Roth als Student in Wien Erfahrung mit nationalistischen Umtrieben. Im Antisemitismus waren sich die widerstreitenden Gruppen des Vielvölkerstaats Österreich einig. Virtuos spielte Roth, als Mitarbeiter der Frankfurter Zeitung schnell zu Starruhm gelangt, mit den Grenzen zwischen Journalismus und Literatur. Seinen Romanen ist ein mitunter der Reportage naher Realismus eigen. “Hiob“ von 1930, angesiedelt im osteuropäischen Judentum, und vor allem “Radetzkymarsch“ (1932), der im Kaiserreich spielt, begründeten eine literarische Weltgeltung. Roth, der 1933 ins französische Exil gezwungen wurde, wandelte sich von einer zunächst an der Linken interessierten Einstellung zum österreichischen Monarchisten: Hier vermutete er das letzte Bollwerk gegen den Faschismus. Längst war er ein exzessiver Trinker. Selbstanschuldigungen ob der Geisteserkrankung seiner Frau Friederike, die unter seinen langen Reisen gelitten hatte, plagten ihn. Karl Pridun hat Interviews mit Literaturwissenschaftlern, mit dem Biografen Wilhelm von Sternburg und dem Kaiserssohn Otto von Habsburg geführt, der Roth noch gekannt hat. Er verwendet historisches Material von Schauplätzen und Ereignissen, eingelesene Brief- und Romanpassagen sowie Ausschnitte aus Verfilmungen. Zudem - erfreulich unprätentiös - nachgestellt Szenen, teils in animierten Zeichnungen, dann wieder in Realfilm mit dem Schauspieler Ernst Konarek. Punktgenau verknappt entsteht ein umfassender Abriss der Biografie mit gescheit geschlagenen Verbindungslinien zum Werk.“
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