ROBERT HABECK: “Hau ab!“ Und plötzlich reagiert der Wirtschaftsminister sichtlich irritiert
ROBERT HABECK: “Hau ab!“ Und plötzlich reagiert der Wirtschaftsminister sichtlich irritiert
Es ist ein lauer Sommerabend im Ehrenhof am Alten Schloss in Bayreuth. Die Restaurants und Cafés rundherum sind gut gefüllt, ein beschauliches Bild. Als aber Robert Habeck auf der kleinen Bühne im Ehrenhof auftaucht, ist es mit der Ruhe vorbei. «Hau ab» schallt es dem Wirtschafts- und Klimaschutzminister entgegen, Habecks Worte gehen fast unter in Buh-Rufen und dem Lärm der Trillerpfeifen. Es sind mehrere Dutzend Protestierende. Sie sind an diesem Donnerstagabend in der Minderheit, aber sie fordern Habeck heraus.
Auf Plakaten wird der Grünen-Politiker als «Kriegstreiber» beschimpft. Der Vizekanzler hat sich früh für Waffenlieferungen an die von Russland angegriffene Ukraine stark gemacht. Das sei eine schwierige und moralisch ambivalente Entscheidung, sagt Habeck. Aber er macht klar: Wenn Deutschland die Ukraine alleine lassen und die Leute «alleine sterben» lassen würde - Deutschland wäre dann nicht unschuldiger. «Es gibt einen Kriegstreiber in Europa, aber das ist Putin», ruft Habeck energisch.
Der Minister ist unterwegs auf einer zweitägigen Sommertour. Er hat schon Unternehmen in Sachsen-Anhalt und Bayern besucht, für den Donnerstagabend hat das Ministerium einen Bürgerdialog in der Festspielstadt Bayreuth organisiert. Habeck bekommt zwar auch Lob, ein Bürger dankt ihm, dass er die «Eier» habe, hier zu stehen. In der Mehrzahl aber gibt es kritische, vorwurfsvolle Fragen. Unternehmer erzählen von ihre Nöten, ein Bürger fragt Habeck, ob er noch seinen Amtseid kenne: Schaden vom deutschen Volk abzuwenden.
Habeck kontert: Es gehe darum, die freiheitlich-demokratische Grundordnung, den liberalen Rechtsstaat zu verteidigen und die Integrität von Grenzen und Staaten zu schützen, sagt er mit Blick auf die Ukraine. Deutschland habe sich die Abhängigkeit von russischem Gas eingebrockt. Es sei keine Lösung, nun die «weiße Fahne» zu hissen. Mit Blick auf die steigenden Energiepreise macht er klar, trotz finanzieller Nachteile dürfe der russische Angriffskrieg in der Ukraine nicht toleriert werden: «Wir können doch unser eigenes Wertekorsett nicht aufgeben.»
Habeck wirft Russland Lügen vor. Er spricht von einer «Farce» über eine in Kanada gewartete Turbine für die Ostseepipeline Nord Stream 1. Sie sei seit Montag letzter Woche in Deutschland. Alle Papiere lägen vor, er habe sie selber in der Hand gehabt. Russland aber weigere sich, die Turbine ins eigene Land zu holen. «Sie lügen einem ins Gesicht.»
Der russische Energiekonzern Gazprom hatte am Mittwoch die Lieferungen durch Nord Stream 1 auf 20 Prozent der maximalen Auslastung gesenkt, weil nach Unternehmensangaben noch eine Turbine in die Wartung musste.
Von der Gasversorgung durch Nord Stream 1 hängt es aber wesentlich ab, ob und wie Deutschland durch den Winter kommt - neben dem Aufbau von Terminals für Flüssigerdgas in Deutschland, mehr Anstrengungen beim Einsparen von Gas in Deutschland und dem Befüllen der Speicher. Das nennt Habeck als zentrale Faktoren. Der Faktor Katar fällt aber wohl weg. Katar habe entschieden, kein gutes Angebot zu machen, so Habeck.
Die Regierung werde alles tun, um nicht in eine Notlage zu kommen, in der politisch entschieden werden müsse, welche Gasverbräuche heruntergefahren werden, sagt Habeck. Garantien aber kann der Minister nicht geben.
Und die Gefahr einer Wirtschaftskrise wächst. Beim Besuch des Glasherstellers Wiegand Glas in Schleusingen in Thüringen am Freitag bezeichnet Habeck die wirtschaftliche Lage in Deutschland als zugespitzt. Er nennt strukturelle Probleme wie den Fachkräftemangel sowie die Folgen der Corona-Pandemie mit gestörten Lieferketten und des Ukraine-Kriegs mit hohen Gaspreisen.
Nicht nur die Firmen, sondern auch die privaten Haushalte spüren immer mehr die Folgen der Preisexplosionen an den Energiemärkten. Sie kommen schrittweise bei den Kunden an. Das ist das eine. Das andere sind staatlich veranlasste Preissteigerungen. Im Zuge des Rettungspakets für den angeschlagenen Energiekonzern Uniper hat die Bundesregierung beschlossen, dass Versorger ab Herbst teure Ersatzbeschaffungen bedingt durch die Drosselung russischer Gaslieferungen über eine Umlage an alle Gaskunden weitergeben dürfen. Habeck spricht von mehreren Hundert Euro mehr im Jahr und von einer bitteren Nachricht.
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